Aus dem Alltag der Hirtinnen und Hirten

Der Wert der Almen ist vielfältig. Sie sind Produktionsstätten für landwirtschaftliche Produkte, leisten einen wichtigen Beitrag zum Tourismus, aber sie haben auch einen ökologischen Wert, den es besonders in Zeiten enormer Biodiversitätsverluste zu erhalten und zu fördern gilt. Dabei spielt die Arbeit der Hirtinnen und Hirten eine tragende Rolle, denn sie sind es, die eine gezielte Weideführung gewährleisten und so maßgeblich dazu beitragen, die Landschaft zu erhalten und zu pflegen.

Beim Hirtentag an der Fachschule Salern stand die Tätigkeit der Hirtinnen und Hirten im Vordergrund. Um einen Einblick in den Alltag dieses Berufsstandes zu bekommen, erzählten zwei Hirtinnen und ein Hirte aus Südtirol von ihrer Arbeit, ihren Erfahrungen und teilten ihre Wünsche für die Zukunft.

Erfahrungen aus erster Hand

Den Anfang machte eine Schülerin der Fachschule Salern, die vergangen Sommer zum ersten Mal 240 Schafe auf der Plose bei Brixen hirtete. Am Anfang der Almsaison wurden die Tiere zwei Wochen an die Umgebung und den Nachtpferch, der eine wichtige Maßnahme im Herdeschutz ist, gewöhnt. Ihre Herde weidete im Laufe des Sommers von den tiefer gelegenen Flächen hinauf bis auf etwa 2.500 Höhenmeter. Gegen Herbst wanderten sie langsam wieder zurück ins Tal. Teilweise verrichtete sie ihre Arbeit unter sehr schwierigen Bedingungen – besonders der Nebel erschwerte die Arbeit im Gebirge. Sie sprach nur von Glück, dass diesen Sommer kein Schnee gefallen ist.

Manchmal hatte ich das Gefühl, ich muss die Touristen hüten.

Martina
Schülerin der Fachschule Salern

Diese Aussage fasst wohl eine weitere Herausforderung gut zusammen. Es kam vor, dass Weidenetze niedergerissen und ihre Schafe von Kindern, oder Hunden gejagt wurden. Dennoch ist sie von der anspruchsvollen und anstrengenden Tätigkeit begeistert, wünscht sich jedoch mehr Wertschätzung des Berufes in der Bevölkerung.  

„Mit der Natur arbeiten“, so fasste der zweite Vortragende seine langjährige Tätigkeit als Hirte zusammen. Er argumentierte, dass die Beweidung der Almen über die Jahre hinweg die Qualität und Quantität des Futters verbessere. Außerdem ermöglicht die Zäunung die bestmögliche, gezielte und gleichmäßige Beweidung einer Fläche. Die Landschaft wird durch die Beweidung offen gehalten, wodurch die Biodiversität der alpinen Fauna und Flora gefördert wird. Bevor es aber im Frühjahr auf die Alm geht, erklärte er, dass es einige Vorbereitungen zu treffen gelte. Die Gewöhnung der Herde an den Nachtpferch und an die Hunde erfolge vor dem Almsommer unten im Tal. Der Nachtpferch schützt die Tiere nicht nur vor großen Beutegreifern, sondern auch vor Füchsen und streunenden Hunden. Im Nachtpferch liegen die Schafe eng nebeneinander und seiner Aussage nach, entspreche das auch dem natürlichen Verhalten, sowie bedeute weniger Stress für die Tiere als oft angenommen. Der Hirte hat auch eine erhöhte Trächtigkeit der weiblichen Tiere im Herbst beobachten können und glaubt, dass das tägliche Zusammentreiben aller Tiere in den Nachtpferch dazu beiträgt.  Die weiblichen Tiere werden im Sommer auf der Alm trächtig und können die Lämmer im Herbst geschützt im Stall gebären. Denn auf der Alm sollten keine Lämmer zur Welt kommen – die Überlebenswahrscheinlichkeit der Lämmer ist aufgrund der harschen Witterungsverhältnisse auf den Bergen gering, so der Hirte. So schön der Beruf auch ist, so gilt es auch einige Herausforderungen zu meistern. Der Arbeitsaufwand mit dem Aufstellen der Zäune beispielsweise ist sehr hoch. Der Nachtpferch muss jede Woche bis alle 10 Tage umgestellt werden und allein braucht er dafür knapp fünf Stunden. Darüber hinaus verstärkt der aktuelle Personalmangel das Problem noch. Außerdem ist es schwierig gute Hüte- und Herdenschutzhunde zu finden – wichtige Partner des Hirten!

Den Abschluss der Vorträge machte eine Wanderhirtin, die während der Herbst- und Wintermonate mit etwa 2.000 Schafen, 7 bis 9 Treibhunden, zwei Herdenschutzhunden und zwei Kollegen von Norden im Friaul in den Süden an die Adria zieht. Im Jahr werden dabei mehr als 1.000 km zurückgelegt. Im Sommer weiden ihre Schafe auf der Alm. Die Wanderhirtin lebt die Transhumanz, die seit 2019 als UNESCO Weltkulturerbe gilt und bereits seit hunderten oder tausenden von Jahren praktiziert wird. Weltweit gibt es mehrere Formen der Transhumanz, allen liegt aber eine klimabedingte Wanderung zu stetig neuen Weideflächen im Jahresrhythmus zugrunde. In den Alpen ist besonders die Wanderung zu den Almweiden im Sommer und die Rückkehr in Tal im Herbst bekannt. 

Der Tag einer Wanderhirtin ist lang und anstrengend. Alles beginnt mit dem Zählen und Versorgen der neugeborenen Lämmer. Bei einer so großen Herde können schon einmal 60 Lämmer pro Nacht dazukommen! Anschließend weiden die Tiere auf der freien Fläche und kommen über Mittag in den Pferch. Nachmittags wiederholt sich der Ablauf bevor sie die Nacht im Nachtpferch verbringen. Im Winter fressen die Tiere vor allem die Reste von den geernteten Mais- und Soja-Äckern, in Weinbergen und auf gedüngten Wiesen. Ein immer wiederkehrender Narrativ ist der Personalmangel. Ein Problem, das auf die geringe Entlohnung und Wertschätzung des Hirtenberufes zurückzuführen ist. Das einfache Leben und die erschwerten Arbeitsbedingungen fern von Zuhause sind vermutlich nicht jedermanns Sache. Trotzdem birgt diese extensive Beweidungsform mit einer geringen Besatzdichte pro Fläche, auch Vorteile für die Landschaftspflege. Einfach gesagt, wird die Landschaft durch die sanfte Nutzung weniger in Mitleidenschaft gezogen. Der jährlich wiederkehrende Rhythmus, die Herde und ihre Hunde erfüllen die Wanderhirtin und ziehen in den Ortschaften viele Schaulustige an. Und ein Tipp der Expertin: Mit erwachsenen Herdenschutzhunden anzufangen, erleichtert den Einstieg.

Photo: Kusstatscher Kurt

Wie sieht es nun in Zukunft aus? Klar ist, dass die Erhaltung und Pflege der Almen und Kulturlandschaften weiterhin unterstützt werden muss. Besonders, wenn die Herausforderung Herdenschutz noch dazukommt. Dafür braucht es neben finanziellen Mitteln auch gute Hirten. Dahin arbeitet auch der Lehrgang für Hirten an der Fachschule Salern, der kommenden Jahres startet! Für alle Interessierten: Hier geht’s zur Anmeldung!

Autor: Jasmin Clare

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2 thoughts on “Aus dem Alltag der Hirtinnen und Hirten

  1. Wieso soll es schwer sein, Herdenschutzhunde zu bekommen? In Facebook gibt es mehrere Seiten wo viele italienische Herdenschutzhunde, die Maremanni einen Platz suchen.

    1. Hallo, ja Sie haben recht, dass es sehr viele HSH gibt, aber nur wenige sind korrekt mit Menschen sozialisiert und daher bei uns einsetzbar. Außerdem müssen sie aus Arbeitslinien kommen. Es ist wie mit allen anderen Hunden oder Tieren auch, die Rasse ist zwar wichtig aber alleine nicht aussagekräftig. Das heisst nicht, dass es auch in diesen Auffangstationen gute und taugliche HSH gibt.

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