Exkursion in die Abruzzen

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LIFEstockProtect organisierte eine Exkursion mit dem Maschinenring Tirol mit Hirten, Almbewirtschaftern, Schaf- und Rinderbauern. Die Exkursion führte die Interessierten nach Italien, in die Region Abruzzen und hatte zum Ziel, das Zusammenspiel und den Einsatz von Herdenschutzdiensthunden in touristischen Gebieten in Italien besser zu verstehen. Obwohl alle Teilnehmenden eine lange Anreise auf sich nehmen mussten, waren am Ende doch alle froh, dabei gewesen zu sein. 

Die Abruzzen

Die Abruzzen sind eine italienische Region, die geographisch in Mittelitalien liegt, historisch jedoch zur nördlichsten Region Süditaliens gehört. Die Landschaft ist weitläufig und besteht hauptsächlich aus Olivenplantagen, einigen Äckern und großen Brachflächen. Wie überall macht sich auch hier die Landflucht bemerkbar. Es gibt nur noch wenige junge Menschen, die die harte Arbeit und die geringe Bezahlung als Landwirt:in, Viehzüchter:in oder Hirt:in in Kauf nehmen wollen. Dennoch gibt es einige, die sich immer noch oder wieder diesen Beruf ausüben. Die Abruzzen haben eine sehr lange und zum Teil noch aktive Hirtentradition. Vor allem Schafherden sieht man in der weiten Landschaft, wenn man sich in den Sommermonaten dort aufhält. Aber auch Rinder-, Esel- und Pferdeherden ziehen teils allein, teils mit Hirten umher. Fast alle Herden werden von Herdenschutzdiensthunden begleitet. An den Straßenrändern warnen Schilder vor möglichen Bärenüberquerungen und Autofahrer:innen werden aufgefordert, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Der Umgang mit Wildtieren und Herdenschutz unterscheidet sich deutlich von dem im Alpenraum.

Gespräche mit Hirten

Während der dreitägigen Exkursion kamen wir mit den unterschiedlichsten Hirten ins Gespräch. Allen gemeinsam ist, dass sie sich gerne mit uns unterhalten, froh über jeden sozialen Kontakt: „Es ist ein harter Job“, sagen sie. Manchmal kommen Freunde zum Essen zu Besuch, aber die meiste Zeit verbringen sie allein mit ihren Tieren. Die meisten sind schon im fortgeschrittenen Alter und daher sehr erfahren; auf ihre Stöcke gestützt, beobachten sie ihre Herden und ziehen mit ihnen von Weide zu Weide.

Die Hirten, die täglich mit ihren Tieren auf der Weide sind, leisten einen bedeutenden Beitrag zum Schutz ihrer Herde. Ihre Aufgaben gehen weit über die Versorgung von kranken oder verletzten Tieren hinaus. Durch den Einsatz der Hütehunde sorgen sie dafür, dass ihre Herde zusammengehalten wird. Darüber hinaus schützen die Herdenschutzdiensthunde die Herde vor Bedrohungen wie Wölfen und anderen Beutegreifern.

Am Abend treiben die Hirten ihre Schafherde in den Nachtpferch, wo die Hunde ihr Futter bekommen, und somit ist die Arbeit der Hirten vorerst abgeschlossen. Während sich die Hirten ausruhen, setzen die Hunde ihre Arbeit fort – die ganze Nacht hindurch.

Wir begegnen einem Hirten, der eine Herde von 500 Schafen und neun Herdenschutzdiensthunden führt. Während er mit uns spricht, lässt er seine Herde eigenständig weiterziehen. Auf die Frage nach der Häufigkeit der Wolfssichtungen schüttelt er den Kopf und erklärt: „Der Wolf kommt nicht nur oft vorbei, sondern immer. Er schaut uns gerade zu, während wir über ihn sprechen.“ Dabei lacht er. Vor einigen Tagen hat sein Leitrüde einen Kampf mit dem Wolf ausgefochten, weshalb er nun humpelt. Dennoch konnte er erfolgreich sein und Lamm und Mutterschaf schützen. Natürlich bietet die Anwesenheit von Herdenschutzdiensthunden keinen absoluten Schutz vor Beutegreifern. Aber das Risiko wird deutlich reduziert, was die Zusammenarbeit mit Hunden definitiv rechtfertigt. Der Hirte erzählt, dass er ca. drei bis vier Schafe pro Saison durch Wolfsangriffe verliert. Im Vergleich dazu sterben jährlich 20-25 Schafe an Krankheiten und natürlichen Ursachen. Der Wolf stellt also das weitaus geringere Übel dar.

In Mittel- und Süditalien wird der Wolf anders wahrgenommen. Der Wolf wurde hier nie ausgerottet, also mussten die Viehhalter:innen ihre Tiere seit Jahrtausenden irgendwie vor ihm schützen. Bis heute ist das für die Menschen hier Normalität. Ein Schafbauer mit 1.300 Mutterschafen antwortet auf die Frage, was er vom Wolf halte, ganz gelassen und mit einem verschmitzten Lächeln: „Der Wolf ist wunderschön.“

Ein Hirte mit seinen ungarischen Hütehunden

Campo Imperatore

Campo Imperatore, eine Hochebene im italienischen Gran Sasso-Gebirge, ist beeindruckend. Man sieht endlose Weiten, Tierherden aller Art mit Hunden und Hirten, Wandernde, Fahrradfahrer:innen und viele Motorradfahrer:innen

An einer großen Kreuzung stehen Foodtrucks, das Ristoro Mucciante ist das Highlight. Hier gibt es rohes Fleisch und Spieße, auch die regionalen „arrosticini“. Vor dem Geschäft stehen Grills, auf denen man selbst grillen kann. An einem sonnigen Sonntag sind alle Tische besetzt. Herden ziehen vorbei, Herdenschutzhunde suchen nach heruntergefallenem Fleisch. Entspannt füttern die Gäste die Hunde. Es ist hier ganz normal, dass große weiße Hunde zwischen den Tischen nach Futter suchen.

Die Feedbackrunde der Exkursionsteilnehmer:innen brachte einige Erkenntnisse: Hunde sind nicht grundsätzlich aggressiv, sie lassen sich alle gerne streicheln, Herdenschutz funktioniert, wenn auch nicht zu 100%; Gelassenheit im Umgang mit dem Thema kann nur von Vorteil sein. 

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