Kulturelle und soziale Aspekte des Herdenschutzes

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Die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen und die Entschärfung der Konflikte mit großen Beutegreifern wird von vielen Faktoren u.a. technische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle beeinflusst.

Aus diesem Grund sind Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Teil des multidisziplinären Teams von LIFEstockProtect, wobei vorbereitende Maßnahmen vorgesehen sind um ein tieferes Verständnis über die kulturellen und sozialen Aspekten zu verschaffen, die den Entscheidungsprozess und das Verhalten von Nutztierbesitzerinnen -und besitzern beeinflussen können. Daher haben wir in den ersten Monaten des Projekts eine Übersicht der qualitativen und quantitativen Literatur zu den soziologischen und kulturellen Aspekten im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen Menschen und großen Beutegreifern durchgeführt.

Aus dieser Übersicht haben sich einige sehr wichtige Aspekte herauskristallisiert.

Der erste Aspekt ist die Wissenskonstruktion: alle Gruppen beobachten die Umwelt um sie herum und bilden Wissen, das sowohl auf ihren Beobachtungen als auf ihrer Weltansicht und ihren vorherigen Ideen basiert. Wildtiere, Nutztiere und deren Interaktion bilden dabei keine Ausnahme. Deswegen ist es bei Vorschlägen für Herdenschutzmaßnahmen auch wichtig, Ortskenntnisse zu berücksichtigen: dessen Inhalt, wie sie entstehen und wie sie sich mit technischen und wissenschaftlichen Ansätzen kombinieren lassen.

Es sollte auch nicht vergessen werden, dass Menschen und Wildtiere eine gemeinsame Geschichte haben, die das gegenseitige Verhalten und die Art und Weise, wie der Raum sowohl von Tieren als auch von Menschen genutzt und begriffen wird, beeinflusst. Deshalb ist es wichtig, die historischen Wurzeln dieser Beziehung zu berücksichtigen und den Hirtinnen, Hirten, Züchterinnen und Züchtern zu zeigen, dass Herdenschutzmaßnahmen eine Gelegenheit bieten kann, deren historischen Beziehung mit großen Beutegreifern zu verändern.

Die Nutzung und Konzeptualisierung von Raum sind auch ein wichtiges Thema: Menschen neigen dazu, Raum zu unterteilen, sowohl in symbolischer als auch in konkreter Hinsicht, nämlich in „zivilisierte“ Orte und „natürliche“ Orte. Jedoch können Wildtiere diese realen oder imaginären von Menschen geschaffenen Grenzen verletzen, was oft auch aus symbolischer Sicht Angst und Desorientierung hervorruft. Bleibt man im Bereich der Symbolik, ist es bekannt, dass Wildtiere und insbesondere einige Arten von großen Beutegreifern einen wichtigen Platz in den kollektiven Darstellungen und in europäischen Mythen und in Sagen einnehmen, die die Wahrnehmung der Menschen von diesen Tieren und ihr Verhalten ihnen gegenüber beeinflussen können.

Schließlich sollte im Zusammenhang mit all diesen Themen auch berücksichtigt werden, dass Konflikte mit und um große Beutegreifer oft mit anderen Konflikten zwischen verschiedenen menschlichen Gruppen verbunden sind, zum Beispiel zwischen Menschen, die in Städten leben, und Menschen, die in ländlichen Umgebungen leben. Oder auch zwischen Menschen, die unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wie die Natur geschützt oder genutzt werden sollte.

Wie bereits erwähnt wurde, können all diese Elemente dazu beitragen, die Einstellungen und das Verhalten der Landwirtinnen und Landwirte zu beeinflussen, auch bei der Entscheidung, Herdenschutzmaßnahme zu ergreifen. Daher müssen sie zusammen mit allen anderen Aspekten bei der Förderung dieser Maßnahmen berücksichtigt werden. Unsere Literaturübersicht zeigt, dass es viele Aspekte gibt, die weiterer Untersuchungen brauchen, darunter auch die historischen und kulturellen Dimensionen des Herdenschutzes. Um mehr über diese Themen zu erfahren und einige Leseanregungen zu erhalten, können Sie den vollständigen Bericht des LIFEstockProtect Teams als PDF hier lesen:

Nächste Schritte

Nach der Literaturübersicht wird das Projektteam direkt im Feld arbeiten, um einige dieser Aspekte in den Projektregionen zu untersuchen. Während der nächsten Almsaison werden wir Interviews in Südtirol, Österreich und Bayern durchführen, um mehr über die historischen und kulturellen Aspekte im Zusammenhang mit dem Herdenschutz und dem Verhältnis von Menschen zu großen Beutegreifern zu lernen. Die Themen, die wir während der Feldarbeit vertiefen werden, sind: traditionelles Wissen über Tiere (Haus- und Wildtiere) und ihre Stellung in der Kultur, die Art und Weise, wie dieses Wissen entsteht, die Quellen, die von Hirtinnen, Hirten, Züchterinnen und Züchtern genutzt werden, um Informationen zu sammeln, das Bestehen traditioneller Methoden des Herdenschutzes und die Ansicht der Landwirtinnen und Landwirte über die Zukunft ihrer Arbeit.

Diese Arbeit wird es uns ermöglichen, einen sinnvollen Dialog mit den Landwirtinnen und Landwirten zu etablieren und Schulungen zu erstellen, die an ihre Kultur angepasst sind.

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